Kaum eine Einrichtung in Düsseldorf dürfte den Wandel der Literatur und des Schriftwesens besser dokumentieren als die Universitäts- und Landesbibliothek NRW (UB). Vor mehr als 40 Jahren gegründet, hütet die Bücherei wahre Schätze auf dem Gelände der Heinrich-Heine-Uni. Grund genug für den Verein Düsseldorfer Journalisten, am 19. Januar 2012 im Rahmen eines Jour Fixe des VDJ hinter die Kulissen der Leseräume und des Ausleihbereichs zu schauen.
Die Leiterin der UB Dr. Irmgard Siebert erläuterte den rund 30 Kollegen vorab, dass mittlerweile fast zwei Drittel des Bestandes so genannte elektronische Medien sind. Vor allem medizinische und naturwissenschaftliche Aufsätze und Fachartikel aus aller Welt sind per Computer aufzurufen und zu entleihen. Alle in NRW erschienenen Publikationen werden durch das Haus ebenfalls online archiviert.
Gebundene Literatur ist natürlich immer noch in den Regalen zu finden, zumal viele Studierende forderten, zwischen Büchern lernen zu wollen, so die UB-Chefin. Dem steigenden Andrang begegnet das Haus mit erweiterten Öffnungszeiten; an allen Wochentagen ist der Zugang bis um Mitternacht möglich.
Der Besuch im Sonderlesesaal gehörte zum Höhepunkt des Abends. Hier lagert die weltweit größte Sammlung von Thomas-Mann-Literatur. Sie stammt überwiegend aus dem Besitz des ehemaligen Kö-Buchhändlers und Forschers Hans-Otto Mayer. 1969 verkaufte er der UB Bücher, 5000 Briefe, Porträts und Illustrationen, die von Thomas Mann stammen oder über ihn handeln.
Die anschließende Präsentation 400 einzigartiger Handschriften aus dem Mittelalter beeindruckte die Journalistengruppe besonders. Archivarin Dr. Gabriele Dreis holte mit ihren weißen Handschuhen eine in Latein verfasste Bibel hervor – entstanden im 12.Jahrhundert. Der Buchdeckel aus Eichenholz ist eingeschlagen in Leder. Das Buch wurde von drei Schreibern in frühgotischer Schrift auf Pergament erstellt. Das Unikat gehört der Stadt Düsseldorf und stammt aus einer Klosterauflösung, ähnlich wie weitere etwa 400 Handschriften, die in der Universität lagern und nun elektronisch erfasst werden.
In die entsprechende Werkstatt führte der Rundgang abschließend. Digitalkameras und Flachbett-Scanner in Großformat werden eingesetzt, um die wertvollen und der Öffentlichkeit weitgehend nicht zugänglichen Schriften zu kopieren. Gestochen scharfe Aufnahmen lassen gerade bei den Handschriften und Illustrationen Details erkennen, die ohne Vergrößerung mit dem bloßen Auge nicht wahrzunehmen wären. Die Kopien werden in Absprache mit Verlagen und Eigentümern ins Internet gestellt und sind weltweit kostenlos abrufbar. Sie bleiben der Nachwelt damit digital erhalten.
UB-Leiterin Siebert stellte allerdings augenzwinkernd fest: „Die Frage ist nur, ob sich das Buch aus dem 8. Jahrhundert bei uns am Ende länger hält als ein elektronisches Speichermedium. Darauf haben die Wissenschaftler noch keine eindeutige Antwort.“
(Text: Andreas Vollmert / Fotos: Roland Scheidemann)