Journalisten mit Strategien gegen extrem Rechte

Im vergangenen Jahr gab es laut Verfassungsschutz knapp 19.900 rechtsextremistisch motivierte Straftaten in Deutschland. Das waren 16 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dabei starben 2008 auch wieder zwei Menschen. Zu den Opfern rechtsextremer Gewalt und Hetze zählen inzwischen immer öfter auch Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen. Grund genug für den Verein Düsseldorfer Journalisten, sich dieses brisanten Themas rechtzeitig vor den Kommunal- und Bundestagswahlen anzunehmen.

Vorstandsmitglied Frank Grünberg hatte den Jour Fixe vorbereitet und begrüßte dazu in Düsseldorf mehrere Fachleute, die ihre Einschätzung zu den rechtsextremen Aktivitäten geben sollten. Verbunden waren deren Kurzvorträge mit der Frage, wie der Berufsstand mit extrem rechten Parteien und Neonazis umgehen soll.

Jürgen Peters, Bildungsreferent des „Antirassistischen Bildungsforums Rheinland“ führte aus, dass Düsseldorf keine Hochburg der Rechtsextremen sei, wenn man die Szene mit Dortmund vergleiche. Gleichwohl gebe es deutliche Neonazistrukturen. In Bezug auf die bekannten Parteien habe ‚Pro NRW‘ in Düsseldorf derzeit an Bedeutung verloren, da der Kreisverband jüngst zusammen gebrochen sei. Die NPD sei dagegen jahrelang nicht wahrnehmbar gewesen. Nach Peters Ansicht taucht sie nun gehäuft im Vorfeld zur Kommunalwahl auf. Sie verfügt über Orts- und Kreisverbände in Düsseldorf und im Kreis Mettmann.

In der Landeshauptstadt tritt sie in der Hälfte aller Wahlbezirke an. Die DVU ist dagegen eher schwach, verfügt jedoch über einige namhafte und einflussreiche Alt-Nazis. Beide Parteien arbeiteten mit der Neonazi-Szene in Düsseldorf eng zusammen, so Peters. Dazu zählten lange Zeit die „Freie Kameradschaft Düsseldorf“ und die „Autonome Nationalisten“, derzeit die „Nationale Front Düsseldorf LDU“ vor allem in Nordosten und im Süden der Stadt. Vielfach scharen sich die Anhänger um Rechts-Rock-Musikgruppen. Einzelne Rädelsführer, Alt-Nazis und Holocaust-Leugner sind nach wie vor bundesweit aktiv, gehören zum Kern der Neonazi-Szene. Auch als Geburtstag getarnte Veranstaltungen dienen ihnen in Düsseldorf als Treffpunkt.

Seit Jahren berichtet der freie Journalist und DJV-Mitglied Michael Klarmann über die rechtsextreme Szene. Er arbeitet für die Aachener Lokalpresse und einige Internet-Portale. Zentrales Verbreitungsmedium ist für ihn ein Internet-Blog, in dem er über die aktuelle Neonazi-Szene informiert und dort auch „Beweise“ ihrer Aktivitäten öffentlich bloßstellt. Bei den Rechtsextremisten ist er hinreichend bekannt und wird von ihnen massiv bedroht, verfolgt und diffamiert. Andererseits verfügt Klarmann über direkte Kontakte in die Neonaziszene. Er registrierte auch Aufmärsche in Düsseldorf, bevorzugt vor dem Landtag, den die extrem Rechten gern als politisches Zentrum der Macht für öffentliche Auftritte nutzen.

Zuletzt trafen sich dort im Frühjahr russlanddeutsche Gruppen. Nach Klarmanns Darstellung traten dort einschlägig bekannte Rechtsextremisten und Prominente der NPD mit eindeutigen Emblemen auf. Die Arbeit von Journalisten wurde massiv behindert, Bild- und Tonaufnahmen waren unerwünscht. Umgekehrt wurden Journalisten von den Veranstaltern fotografiert und registriert. Was er bei seinen Kollegen häufig vermisse, sei eine kontinuierliche, entlarvende Berichterstattung über die Rechtsextremisten, so Michael Klarmann. Das könnten auch Geschichten über die Unfähigkeit im Kommunalparlament sein oder das Nichtstun faschistischer Parlamentarier. Gleichzeitig sollten Journalisten die Vita einzelner Neonazis recherchieren, aufdecken und deren pseudo-heroisches Auftreten im Internet „entzaubern“. Die freie Presse solle sich bewusst sein, dass sie von den Neonazis als Feind betrachtet werde. Auch Vorkommnisse wie Provokationen gegenüber Farbigen oder Migranten sollten in den Medien auftauchen, um die Bevölkerung zu sensibilisieren.

Der Historiker und Soziologe Volker Neupert vom überparteilichen anti-rassistischen Bündnis „Düsseldorfer Appell“ stellte fest, dass sich fremdenfeindliche Einstellungen, Denunziation und Hetze vielfach im Alltag festmachen lasse. Sprachwendungen und Stammtischparolen über Ausländer, speziell über Muslime und Juden, würden von extrem rechten Parteien aufgegriffen. Wahlplakate würden von ihnen besonders hoch aufgehängt, um Aussagen – wie von den Republikanern zu einem Minarett-Verbot in Düsseldorf – zu propagieren.

Dagegen setzt der Düsseldorfer Appell mit einer Veranstaltungsreihe „Respekt und Mut“, an der sich inzwischen 36 Organisationen, Migrantenverbände, Kultureinrichtungen, Polizei und Kirchen mit Konzerten, Ausstellungen, Diskussionsabenden, Lesungen und Workshops beteiligen. Außerdem hat das Bündnis im Frühjahr eine Veranstaltung gegen Rechtsextreme durchgeführt, bei der die Medien allerdings kaum vertreten waren. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz bei der Schulaufklärung wird von Neupert im Übrigen ausdrücklich gelobt.

Nihat Öztürk, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Düsseldorf/Neuss, beschäftigt sich mit Vorurteilen und Rassismus in der Arbeitswelt. Gegenüber allen Rechtsextremen gebe es bei der IG Metall eine klare Haltung, indem Mitglieder automatisch ausgeschlossen werden. Öztürk nimmt Rechtsextreme vor allem in Eller, Garath und im Neusser Raum in zeitlichen Wellenbewegungen wahr, besonders vor den Wahlen. Noch Anfang August sei eine Kollegin mit Migrationshintergrund von Rechtsextremen bedroht worden, weil sie zur Kommunalwahl antritt. Sie habe den Staatsschutz eingeschaltet.

Rechtspopulistische Gruppen wie Pro NRW hält Öztürk langfristig für viel gefährlicher als die Ewig-Gestrigen Nazis. Bei einer Zunahme von Orientierungslosigkeit könnten Rechtsextreme an Boden gewinnen. Vor einer Ermüdung der Antifaschisten und Organisationen warnt Nihat Öztürk. Genau darauf spekulierten die extrem Rechten, um ungestört aufmarschieren zu können. Finanzprogramme wie in Dortmund gegen Rechtsextremismus gibt es nach Kenntnis der Experten derzeit nicht.

In der anschließenden Diskussion ging es darum, wie Journalisten mit den extrem Rechten umgehen. Kann es sein, dass Leser, Zuhörer und -schauer einen falschen Eindruck über die Menge Rechtsextremer bekommen, je mehr über sie berichtet wird?

Eine Kollegin zeigte sich erschüttert über den „gut bürgerlichen Rassismus“ in den vornehmeren Wohnvierteln Düsseldorfs. PRO NRW sei es bislang nicht gelungen, aus dem Stigma der extrem rechten Ecke heraus zu kommen, so Jürgen Peters, weil die Medien hartnäckig entsprechend darüber berichteten. Andererseits übernähmen namhafte Medien die Pressemitteilungen z.B. der NPD im Wortlaut, was wenig mit kritischem Journalismus zu tun habe. Eine Kollegin merkte darüber hinaus an, dass fehlende positiv-leichte Bilder über Migration und Zusammenleben zu einer Schieflage und zum Weggucken führe.

Ein Sprecher der evangelischen Kirche unterstützte die Ansicht, dass man die rechtsextremen Politiker in lokalen Geschichten entblößen müsse und damit aufklären könne. Auch in Düsseldorf funktioniere das, z.B. mit Ratsherr Torsten Lemmer. In sieben Prozesstagen habe man ihn der Lüge überführen und ihn ins politische Abseits stellen können, aber allein die Verurteilung vor Gericht sei in den Tageszeitungen aufgetaucht, so der Vorwurf von Jürgen Peters.
Demonstrierende Massen gegen Neonazis sollten positiv am Anfang einer Berichterstattung stehen gegenüber den häufig geringen Teilnehmerzahlen Rechtsextremer, forderte Michael Klarmann. Die Gewerkschaften dürften in diesem Fall auch eindeutig Partei beziehen, schloss Frank Grünberg für den VDJ den informativen Abend.

Links:

Klarmann.blogsport.de

bnr.de

im.nrw.de/verfasssungsschutz

turnitdown.de

www.r-press-nrw.de

(Text: Andreas Vollmert / Fotos: Christof Rose)