Hochmoderner Justiz-Alltag mit elektronischer Zweitakte: Jour Fixe des VDJ im neuen Land- und Amtsgericht Düsseldorf

Eine Konzernzentrale kann nicht zweckmäßiger sein. Diesen Eindruck erhielten die Kollegen des Vereins Düsseldorfer Journalisten beim Besuch des neuen Land- und Amtsgericht am Oberbilker Markt in Düsseldorf. Drei Stunden ließen sie sich am 6. November 2010 von den Richtern Stefan Coners und Dr. Peter Schütz durch den weitläufigen Neubau führen und erlebten hoch technisierten Justiz-Alltag. Königlich-bayerische Amtsgerichts-Atmosphäre hat hier keinen Raum mehr..

Faszinierend vor allem der Schwurgerichtssaal mit dem neuen elektronischen Saalmanagement und digitaler Anzeigetafel. Die Ausstattung gilt landes-, wenn nicht sogar europaweit als einmalig. Nur der Vorsitzende Richter kann per Knopfdruck alle Funktionen im Saal einschalten – von der Beleuchtung bis zum Mikrofon und Laptop-Anschluss auf allen Arbeitsplätzen. Telefonüberwachungen können in den Saal ebenso eingespielt werden wie Video-Konferenzen mit Zeugen-Vernehmungen in Hongkong oder Südamerika.

Voll elektronisch ist die Richtertheke mit den versenkten Monitoren. Papierakten haben hier ausgedient. Stattdessen steht allen Beteiligten erstmals die elektronische Zweitakte zur Verfügung. Lochen, Abheften und Papierberge Anhäufen war gestern. Heute bedienen sich Richter, Staatsanwälte und Verteidiger einer CD, auf der von der Anklage bis zum Geständnis alles gespeichert wird.

Viel sicherer als früher ist jetzt auch die Vorführung der Gefangenen. Sie werden aus dem Hausgefängnis über so genannte Vorführaufzüge, in denen sie durch eine Glastür vom Wachtmeister getrennt sind, unmittelbar in den Gerichtssaal gebracht. Vom Arbeitsplatz aus steuerbar sind in den 56 Sälen jetzt auch Lüftung, Licht, Temperatur und Fenstervorhänge. Auf allen fünf Etagen zeigte sich, wie weit sich die modernen Servicegeschäftsstellen vom Mief der alten Amtsstuben entfernt hat. Die Büros sind einheitlich und klein: 15 Quadratmeter für den Einzelrichter, 20 Quadratmeter für zwei Service-Mitarbeiter.

Für das Amtsgericht arbeiten 560 Frauen und Männer, für das Landgericht 338. Allein in der Gerichtskasse, die für den gesamten OLG-Bezirk zuständig ist, sind 80 Mitarbeiter tätig. Und noch ein paar Zahlen: Jährlich fallen beim Amtsgericht 19 000 Zivilverfahren und 8000 Strafsachen an, hinzu kommen 4500 Familiensachen. Den schönsten Lern- und Arbeitsplatz haben übrigens die 550 Referendare in der Bibliothek des Hauses. Drei Innenarchitekten haben das Konzept entworfen.

Eine eigene Welt ist die Haftabteilung mit dem Hausgefängnis, in dem angeklagte Häftlinge oder inhaftierte Zeugen ihre Wartezeit bis zum Prozess verbringen – mit „freundlicher Begleitung, persönlicher Betreuung und Drei-Gang-Menu“, wie Stefan Coners schmunzelnd erläuterte. Die 30 Einzelzellen sind nur mit Liegestatt und Toilette ausgestattet. Für ganz schwere Jungs gibt es drei Zellen in Extra-Sicherheits-Ausführung.

Die Richter führten die Gruppe auch ins Archiv, wo immer noch Köderboxen für die Mäuse aufgestellt sind, und schließlich ins Büro des Landgerichtspräsidenten, in dem das einzige aus dem Altbau verbliebene Kreuz aufgehängt ist. Immerhin: Der Wegfall von Kreuzen in den Gerichtssälen und Vermehrung von Mäusen hatten bei der Eröffnung des neuen Justiz-Gebäudes in den Medien für größeres Aufsehen gesorgt als die spektakulären Strafprozesse

(Text: Ursula Posny / Fotos: Roland Scheidemann)