Doping

Doping mit Geschirrspülmaschinen-Tabs: VDJ zu Gast an der Sporthochschule Köln zum Thema „Doping, Sport und Medien“

Doping – das böse Wort schwebt mittlerweile über jede sportliche Höchstleistung, die erbracht wird. Doch nicht nur die Profis greifen zu unerlaubten Mitteln. Viele Freizeitsportler helfen nach, ihre Leistungskurve nach oben zu treiben. Womit gedopt wird, wie die Sportler an die Substanzen kommen und wie die Kölner Dopinganalytiker ihnen auf die Schliche kommen, darüber klärte Dr. Hans Geyer, stellvertretender Leiter des Instituts für Dopinganalytik der Sport-Hochschule Köln, die elf teilnehmenden Journalistinnen und Journalisten beim Jour Fixe am 23. Oktober 2012 zum Thema „Doping“ auf.

Dr. Hans Geyer kommt mit einem Servierwagen auf den Flur im siebten Stock des Instituts vorgefahren. Bestückt ist der Wagen wie in einem Gemischtwarenladen mit Geschirrspülmaschinen-Tabs, Fleckenreiniger, Vitamintabletten, Tee, braun verschrumpeltes Unidentifizierbares, Bücher, ein Erkältungsmittel für die Nacht aus der Apotheke und das, was die neugierigen Zuhörer eigentlich erwartet hatten: Tüten voll mit Medikamenten, die unbekannte Namen tragen. Viele dieser Medikamente sind noch gar nicht zugelassen oder werden auch nie zugelassen, sondern befinden sich in der klinischen Studienphase. Für den Kranken sind diese Mittel noch nicht erhältlich, für den Doper aber schon längst auf dem Schwarzmarkt, bequem per Klick im Internet zu kaufen.



Da informiert sich der Sportler auf Webseiten der amerikanischen Regierung, welche neue klinischen Studien beantragt werden und sucht nach Stichworten wie „…konnten die Mäuse schneller/länger laufen …“ und schon wird auf dem Schwarzmarkt geordert. Nebenwirkungen interessieren dabei nicht. Wer sich doch für die Nebenwirkungen interessiert, weist Forenbesucher diverser Sportler-Webseiten auf Studien hin und empfiehlt, Teilnehmer für eine solche Studie – in einem Fall für ein neues Herzmittel von Bayer HealthCare – zu werden. Mögliche Aussichten: Verbesserung der Hämatokritwerte wie bei EPO und damit eine verbesserte Ausdauerleistung. Erfahrungswerte sollen dann bitteschön im Forum mitgeteilt werden.

Die Kölner Forscher kommen den Dopern auf die Schliche, indem sie sich im Internet genau dort rumtreiben, wo die Betrüger sich auch tummeln. Sie chatten in einschlägigen Chatrooms, kaufen auf dem Schwarzmarkt und lesen das gleiche: veterinärmedizinische Fachliteratur. Doper schmökern dort gerne, denn was Pferde schnell macht, muss doch auch die Bestzeit von Menschen hochschrauben. Außerdem arbeiten Zoll und Bundeskriminalamt eng mit dem Institut zusammen.

In dem Fall des Herzmittels dauerte es nach dem ersten Aufruf im Forum vier Monate – noch bevor das Medikament zugelassen wurde –, bis eine Nachweismethode erarbeitet wurde. Doch nicht immer geht es so schnell. In mühevoller Puzzlearbeit müssen die Forscher die entsprechende Substanz meistens selber synthetisieren, weil die Pharmafirmen sich weigern, die Struktur der Substanzen den Dopingfahndern mitzuteilen. Immerhin stehen seit zwei Jahren Substanzen, die noch nicht als Medikament zugelassen sind, generell unter der Bezeichnung S0 auf der Liste der verbotenen Mittel.

Ein wenig schleicht sich der Gedanke ein, das Interesse, Dopern auf die Schliche zu kommen, ist nicht überall so groß wie in Köln. Beispiel Aicar (Aminoimidazol-Carboxamid-Ribonukleosid): „Aicar befindet sich in der klinischen Studie Phase IV und wurde bei den letzten Touren de France im Mülleimer gefunden“, Geyer hält ein kleines, unscheinbares Fläschchen hoch, „das ist eine Supersubstanz. Diese Substanz hat die Fähigkeit, die Ausdauer zu verbessern. Auf dem Sofa. Es führt zu einer Verbesserung der Ausdauerleistung, ohne trainieren zu müssen.“ Seit ungefähr zwei Jahren kann dieses „Wundermittel für Marathonläufer“ nachgewiesen werden. Die Kölner Wissenschaftler publizierten die Methode zum Nachweis von Aicar, und jedes Labor könnte diese Methoden anwenden. „Bisher gab es keinen positiven Befund auf Aicar, weil wahrscheinlich das Kölner Labor als einziger auf diese Substanz testet“, sagt Geyer. An diesem Abend greift er noch etliche Male zum Servierwagen und präsentiert Substanzen, die auf dem Schwarzmarkt kursieren und mit denen Sportler ihre Gesundheit gefährden und schädigen.

„Und die Geschirrpülmaschinentabs?“, will einer der Journalisten noch wissen. Damit werden nicht etwa die Kaffeetassen der Mitarbeiter des Instituts sauber gehalten, sondern – ganz legal gekauft im Drogeriemarkt – kann der EPO-Doper seine Urinprobe damit reinwaschen. „Die Tabs enthalten eine Protease, die Eiweiße abbauen, und EPO ist ein Eiweiß. Aber auch das können wir mittlerweile nachweisen“, erklärt Geyer.

Die Kosten für eine normale Wettkampf-Kontrolle betragen 180 Euro, für eine Trainings-Kontrolle 130 Euro – inklusive Mehrwertsteuer. 5000 Proben von europäischen Spitzensportlern lagern in Köln. Tiefgefroren, alle anonym, nur mit einer Nummer versehen. „Hinter dieser Tür lagert bestimmt auch mehrfach die Probe von Messi“, Geyer weist auf eine dicke Stahltür. Drei Monate müssen die Proben gelagert werden. In Köln werden die Proben aber länger aufbewahrt; die Kapazitäten dafür sind inzwischen vorhanden. „Demnächst sollen die Ergebnisse der Olympiade Athen 2004 rauskommen. Ich bin mir sicher, dass einige Proben positiv getestet werden“, sagt Geyer. (Er sollte recht behalten.)

Ein Blick auf die Welt-Karte mit der Verteilung der Doping-Laboratorien an der Wand des Instituts verdeutlicht, dass es eine Chancengleichheit im Sport so nicht gibt. 35 Labore gibt es weltweit. Die meisten davon in Europa, sechs in Nord- und Südamerika, zwei in Afrika, eins in Asien. 50 % der Dopingproben werden an europäischen Athleten durchgeführt.

Was die Zahl der jährlichen Proben betrifft, so ist das Institut in Köln derzeit Europas größtes Labor und das zweitgrößtes der Welt hinter Los Angeles, gleichauf mit Moskau und Montreal, danach folgt London und Rom. Führend sind die Kölner auch, was die Methoden zum Nachweis von verbotenen Substanzen betrifft. Viele Nachweis-Methoden stammen aus dem Labor der Rheinmetropole.

Zehn Tage werden für eine Analyse benötigt. Tag und Nacht laufen die Analyse- und Reinigungsmaschinen, die die Kölner zum Teil selbst entwickelt haben. 16.000 Proben werden dieses Jahr durchgerüttelt, ca. 80-100 pro Tag. Positiv sind davon ca. 1,5-2 % der Proben, also durchschnittlich eine Probe pro Tag.

Chemiker, Physiker, Lebensmittelchemiker, Veterinärmediziner, Pharmazeuten – insgesamt 60 Mitarbeiter beschäftigt das Institut. Zwei Stellen finanziert der Staat, die restlichen 58 kann das Institut bezahlen durch Aufträge der forensischen Gerichtsmedizin, Analyse von ausländischen Proben und durch Forschungsgeldern. Durch diese Einnahmen ist es den Kölner möglich, sich auch in der präventiven Doping-Forschung zu engagieren.

Nach knapp zwei Stunden sind die Journalisten voll mit Stoff. Stoff zum Thema Doping und dessen Bekämpfung; und sie haben einen bleibenden Eindruck bekommen, wie tief und ausufernd der Doping-Sumpf sein muss. Dr. Hans Geyer und seine Mitarbeiter erscheinen bei ihrer Arbeit, die der Trockenlegung des Sumpfes dient, wie die moderne Version des Sisyphus. Andererseits … der Sumpf ist gleichzeitig Nährboden und stetiger (Text-)Quell über Lug und Betrug im Sport, der von manch einem Journalisten noch beackert werden will.

(Text: Dagmar Wienke / Fotos: Roland Scheidemann)